Ein Journalist schrieb einmal über die Freundschaft zwischen Henri Matisse und Pierre Bonnard, «Jeder hat den anderen erkannt.»
Über vierzig Jahre waren die beiden so unterschiedlichen Künstler miteinander befreundet, «eine langjährige heimliche Vertrautheit» verband sie. Beide setzen sich mit den gleichen künstlerischen Themen auseinander – jeder auf seine Weise. Die Ausstellung im Frankfurter Städel folgt in bezwingender Weise den Sujets und stellt die Werke beider Maler zu den Themen Interieur, Stillleben, Landschaft und weiblicher Akt einander gegenüber.
Die gemeinsame Präsentation ermöglicht dabei ein verständiges Sehen und ist ungemein spannend. Wie sehr die beiden sich schätzten, dokumentieren Briefe. So schrieb Bonnard 1940 an Matisse: «Wenn ich an Sie denke, denke ich an einen von aller überkommenen ästhetischen Konvention befreiten Geist; dies allein gestattet eine direkte Sicht auf die Natur, das größte Glück, das einem Maler widerfahren kann. Dank Ihnen habe ich ein wenig daran teil.»
Und Matisse, der mit niemandem sonst über seine Bilder sprechen wollte, schrieb im selben Jahr an Bonnard:«Ich müsste jemanden sehen, und Sie sind es, den ich sehen möchte.»
Anzuschauen sind auch die beiden Gemälde, die die Freunde voneinander besaßen, Matisse Bonnards «Abend im Wohnzimmer» (Soirée au salon) von 1907; Bonnard Matisses «Das offene Fenster», (La Fenêtre ouverte) von 1911. An den Bildern zeigt sich sehr gut die unterschiedliche Sichtweise der Maler auf die Welt. Matisse Blick geht hinaus, in die Welt, Bonnards richtet sich nach innen.
Eine solch umfangreiche Ausstellung beider Künstler hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Vorallem der Werke Bonnards, der in seinem Heimatland Frankreich viel bekannter ist als hier. Es ist dem Städel gelungen, von bedeutenden Sammlungen und auch von Privatpersonen Leihgaben zu gewinnen; eine großangelegte Schau von rund 120 Gemälden ist so zu Stande gekommen. Eröffnet wird der Rundgang durch Porträtaufnahmen des Fotografen Henri Cartier-Bresson, der beide Künstler am 17. und 18. Februar 1944 in ihren Häusern an der Côte d’Azur besuchte.
«Eine Erholung für das Gehirn, so eine Art Lehnstuhl», solle seine Malerei sein, sagte Matisse einmal.
Und Bonnard: «Schönheit ist die Erfüllung des Sehens.»
Henri Matisse, Selbstporträt, 1906
Pierre Bonnard, Selbstporträt, 1930
Pierre Bonnard, Abend im Wohnzimmer, 1907
Henri Matisse, Das offene Fenster, 1911
Pierre Bonnard, Nach der Dusche,1914
Henri Matisse, Akt im Lehnstuhl,1920
links: Henri Matisse, Sich aufrichtender Akt, 1906 – rechts: Pierre Bonnard, Stehender Akt bei der Toilette, 1906
DIE AUSSTELLUNG IM FRANKFURTER STÄDELMUSEUM IST NOCH BIS ZUM 14. JANUAR 2018 ZU SEHEN.