Robert Hughes: Goya

«Doch viele Menschen sehen (wie ich selbst) Goya als Teil unser heutigen Zeit, er steht ihnen zeitlich fast so nahe wie Picasso und ist wie dieser ein «moderner Künstler».» schreibt Robert Hughes am Beginn seiner großartig geschriebenen und wunderbar üppig bebilderten Monographie über Goya und wie recht er damit hat.
Der große spanische Künstler (1746-1828) malte Königsfamilien und einfache Leute, brutale Mörder und reizende Mayas, Hexen und Kleriker, die Grausamkeit des Krieges, Alpträume und karge spanische Landschaften, feine Tapisserien, die Schönheit der Jugend und die Hässlichkeit des Alters und all das stets direkt, in seiner ganzen Wahrheit, erbarmungslos und mitfühlend, unmittelbar. Aufrichtig.
Aufrichtig, enorm kenntnisreich, sehr persönlich und deshalb mitreißend ist auch Robert Hughes Buch über Goya. Sehr umfassend ist es außerdem, indem es kontinuierlich Goyas Entwicklung für die Leser nachvollzieht und sein Schaffen auch in den historischen Kontext einordnet. Der außerordentlich erzählerisch begabte Kunstkritiker ist ja auch Historiker gewesen. Man möchte gar nicht, dass er aufhört zu erzählen, so zugewandt, klug und nicht dozierend ist das. Hughes Beschreibungen und Interpretationen der Werke Goyas sind einfach blendend – überzeugend und passioniert formuliert.
Im Leben Goyas, für die damalige Zeit ungewöhnlich langem Leben, gibt es eine Zäsur, eine schwere, rätselhafte Erkrankung im Alter von 46, die ihn ertauben läßt und seine Sicht auf die Welt radikalisiert, ein Leben, dass ansonsten prall von Lebensgier und Leidenschaft ist. Auch der Kunstkritiker, der schon viele Jahre mit einem Buch über den von ihm verehrten Maler rang, hatte ein Zäsur durch einen schweren Unfall in seinem Leben, von dem er überzeugt ist, das dieser ihm, mit all der Qual, dem Schmerz, der Hilflosigkeit, zum letzten Durchdringen des Werkes des Künstlers verhalf und ihn befähigte, dieses Buch zu schreiben.
Unmittelbar nachdem Goya, nun mehr für immer taub, wieder in der Lage zu arbeiten ist, beginnt er eine Folge von Radierungen, Los Caprichos, die sich dem ganzen Spektrum menschlicher Schwächen und Schicksale widmen. Wer sie kennt, vergißt sie nie. Er gilt als Wegbereiter der Moderne oder, wie Robert Hughes es treffend sagt, er ist der letzte Alte Meister und der erste Modernist, ein radikaler Künstler seiner Zeit. Wegen der Drastik seiner Schilderungen erwarb zum Beispiel die Tate Gallery bis zum Ende des 19. Jahrhunderts keines seiner Werke. Francisco José de Goya y Lucientes gilt auch als Vater der Kriegsbildberichterstattung, zeigen doch seine Radierungen Los Destastres de la Guerra das alltägliche Kriegsgeschehen in seiner ganzen unvorstellbaren Grausamkeit und Brutalität, komplett ungeschönt und kaum erträglich anzusehen.
Yo lo vi, ich habe es gesehen, steht unter ihnen.
Und Mister Hughes hat ein Buch über Goya geschrieben, wie man es nicht hätte besser machen können.

Wer eine literarische Annäherung an den großen Maler lesen mag, dem sei der Roman des stets brillianten Erzählers Lion Feuchtwanger wärmstens empfohlen: «Goya, oder der arge Weg der Erkenntnis».

the decisive moment. Photographs by Henri Cartier-Bresson

„A bibel for Photographers“ nennt es der Kurator des Centre Pompidou Clément Chéroux. Und das ist dieser legendäre Band mit Fotografien Henri Cartier-Bressons, der 1952 unter dem Titel „Images à la Sauvette“ bei Simon & Schuster in Kooperation mit Editions Verve Paris erschien. Übrigens in einer Auflage von nur 10 000 Stück. Und mit einem Einband, der von Henri Matisse gestaltete wurde.
Generationen von Fotografen haben diese Arbeiten Cartier-Bressons beeinflusst und geprägt. Und auch in unser aller kollektivem Gedächtnis sind viele dieser stets bewegenden Bilder fest verankert.
Nun hat der Steidl- Verlag eine Neuausgabe herausgebracht mit einem passenden Titel, den des alles entscheidenen „decisive moment“. Danke!

Hansjörg Küster: Am Anfang war das Korn


Eine andere Kulturgeschichte der Menschheit hat uns Hansjörg Küster hier geschrieben, genauer gesagt, eine aus einem anderen und völlig plausiblen Blickwinkel; der der Sesshaftwerdung durch die entscheidendste Innovation der Menschheit- die Einführung des Anbaus von Kulturpflanzen mit all seinen Folgen: Sesshaftwerdung, Entwicklung einer Gesellschaft, einer Schrift, einer Kultur im allgemeinen etc. Stets ist in der Archäologie von Werkzeugen die Rede, nach deren Beschaffenheit die Menschheitsentwickung in Epochen eingeteilt wird. Doch der Pflanzenanbau begann bereits in der Steinzeit (so viel nebenbei zur „Steinzeitdiät“, die gerade auch en vogue ist) und schnell schien sich herausszustellen, dass mehr Menschen leben und überleben können von Ackerbau und Viehzucht als von Jagd und Pflanzensammeln.
Küster reist mit uns auf dem Pfad der Kulturpflanzen von vor 11000 Jahren aus ihrem Ursprungsgebiet im Nahen Osten bis zu unseren gegenwärtigen Fragen an die Landwirtschaft.
Das ein Professor für Pflanzenökologie dies auch noch höchst kurzweilig und unterhaltsam gestaltet, macht das Buch zu einem echten und lehrreichem Vergnügen.

Anne Sinclair: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?

Mit angehaltenem Atem haben wir die Entdeckung schwer ermeßlicher Kunstschätze in den ungesicherten Wohnsitzen eines alten Herrn in Deutschland und Österreich verfolgt. Kunstwerke, nach denen seit Kriegsende gesucht wurde, auch über die Datenbank „lost art“. Darunter auch èin Gemälde von Matisse, die „Sitzende Frau“, von dem die ganze Welt wußte, wem es gehört hatte: dem legendären Paul Rosenberg, der es in einem Banksafe in Sicherheit gebracht glaubte, bevor er aus seiner Heimat fliehen musste. Wie das vonstatten ging, wie sein Leben vorher, als einer der bedeutensten Kunsthändler Europas, erstem Händler, Förderer und Freundes Picassos, Braques, Matisse… und vieler anderen großen Namen, und danach verlief, erzählt uns seine Enkelin Anne Sinclair. (Ja, Sie haben den Namen schon mal gehört. In anderem Zusammenhang.)
Und sie erzählt es gut!

Diderots Enzyklopädie: Mit Kupferstichen aus den Tafelbänden

Zum 300. Geburtstag von Denis Diderot schenkte uns „Die andere Bibliothek“ eine Auflage der „Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers“, konzipiert von Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert (Wobei die ursprüngliche Ausgabe aus 71.818 Artikeln und 2885 Kuperstichen bestand). Frankreichs großer Aufklärer beteiligte sich selbst mit einer Vielzahl von Artikeln, aber auch Texte von Rousseau, Voltaire und Montesquieu finden sich. Zu unserem Vergnügen fehlen natürlich auch die ketzerischen Kassiber nicht, die immer wieder die Zensur auf den Plan riefen.
Freuen Sie sich auf den nächsten Regentag, machen Sie es sich irgendwo bequem und schmökern Sie in diesem wunderbaren Band – ich verspreche amüsante und erhellende Unterhaltung!

Gregor Weber: Kochen ist Krieg

Nach seiner Kochlehre im „Vau“ bei Sternekoch Kolja Kleeberg zieht Gregor Weber ein Jahr durchs Land und kocht sich überall durch – beim Stammitaliener vom Eck, im Landgasthof, auf Schloss Bellevue, bei der Marine und der „Schaffermahlzeit“…
Gucken Sie mit ihm in die ganz verschiedenen Töpfe auf deutschen Herden. Das ist spannend, lecker, lehrreich und höchst unterhaltsam dazu.

Giulia Enders: Darm mit Charme

Völlig zu Recht ist dieses Buch der ungemein begabten jungen Giula Enders bereits ein Bestseller.
Idiotische Modediäten hätten keine Chance, wenn das Wissen, wie die menschliche Verdauung tatsächlich funktioniert, verbreiteter wäre. Und wer Osmose erklärt als „Gerechtigkeitsgefühl des Wassers“ kann schreiben, kann erklären für Jedermann.
Ein Buch, das Ihre Lebensqualität steigern wird! Und das auch noch höchst amüsant! Diese famose junge Dame steckt mitten in der Forschung, sie liefert Ihnen im Plauderton also auch gleich noch den neuesten Stand der Wissenschaft. Der Medizin. Nicht des Glaubens. Ihnen wird ein Licht aufgehen. Mindestens.